Bad Homburg v.d. Höhe, 31.01.2024 (lifePR) – Elternzeit, Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen stellen für Ärztinnen und Ärzte, die eine längere Auszeit für familiäre oder betreuungsbedingte Verpflichtungen nehmen, eine Hürde für die Weiterentwicklung ihrer akademischen Karriere dar. Diese Verpflichtungen werden als einer der Gründe angesehen, warum Frauen im Durchschnitt seltener akademische Top-Positionen erreichen. Vor diesem Hintergrund hat die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) im Jahr 2023 erstmals individuell einsetzbare Fördermittel von jeweils 400.000 Euro für ein flexibel gestaltbares Wiedereinstiegsprogramm im Bereich Medizin ausgeschrieben. Von insgesamt 64 eingereichten Bewerbungen wurden drei Ärztinnen für die Förderungen ausgewählt.
Ziel der Ausschreibung ist es, in Klinik und Forschung besonders erfolgreiche Ärztinnen und Ärzten im Anschluss an eine längere Familien- oder Betreuungsphase mit flexibel und individuell einsetzbaren Fördermitteln den effektiven Wiedereinstieg und die Fortsetzung ihrer vielversprechenden Karriere zu ermöglichen. „Wir wollen damit nicht nur einer benachteiligten Personengruppe helfen, sondern auch den für das deutsche Wissenschaftssystem fatalen Ausfall exzellent ausgebildeter und herausragender Wissenschaftlerinnen mildern“, erklärt Prof. Dr. Michael Madeja, Vorstandsvorsitzender der EKFS.
Die Ausschreibung richtete sich an promovierte oder habilitierte Ärztinnen und Ärzte an Universitätsklinika in Deutschland, die ihre Tätigkeit in Klinik und Forschung für eine Familienphase von mindestens einem und maximal drei Jahren vollständig unterbrochen oder zu Lasten der Forschung signifikant reduziert hatten. Bis spätestens 30. April 2024 muss die Rückkehr in Klinik und Forschung auf einer mindestens 80%-Stelle erfolgen. Mindestens 50 % der Arbeitszeit soll im Rahmen der Förderung für die Forschung zur Verfügung stehen.
Mit den Förderungen sollen folgende Forschungsvorhaben realisiert werden:
Störungen der ovariellen Reserve – Analyse genetischer Einflussfaktoren: PD Dr. Julia Rehnitz, Universitätsfrauenklinik Heidelberg, Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen
Für die weibliche Fruchtbarkeit ist die Reserve und Reifung der Eizellen in ihren Eibläschen (Follikel: Eizelle und umgebende somatische Zellen) im Eierstock ein entscheidender Faktor. Störungen in diesem Prozess (Eizellreifungs- und Follikulogenesestörungen) können sich als vorzeitige ovarielle Erschöpfung („Premature-Ovarian-Insufficiency“) oder als schlechtes Ansprechen auf eine hormonelle Kinderwunschbehandlung („Poor-Response“) äußern. Ziel dieses Projektes ist es, molekulargenetische Zusammenhänge zu identifizieren und mögliche genetische Ursachen und Einflussfaktoren auf Störungen der Follikulogenese und Eizellreserve zu erkennen, um zukünftig die Prognose und therapeutischen Optionen von Frauen mit Kinderwunsch besser anpassen und verbessern zu können.
PD Dr. Rehnitz arbeitet als Oberärztin in der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg. Sie leitet die Arbeitsgruppe Keimzellforschung zur Follikulogese und ihrer Störungen. Sie ist Mutter von drei Kindern und nach Abschluss ihrer letzten Elternzeit Ende Oktober 2023 in ihre Abteilung zurückgekehrt. „Die Förderung durch die EKFS erlaubt mir, nach Rückkehr aus meiner Elternzeit meine jahrelang sorgfältig aufgebaute Forschung in meiner Arbeitsgruppe mit der dazu nötigen Mannschaftsstärke, Zeit und finanziellen Sicherheit weiterzuführen“, berichtet PD Dr. Rehnitz.
Neue Klassifikationssysteme und Biomarker für zerebrale Kleingefäßerkrankungen: Prof. Dr. Stefanie Schreiber, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Düsseldorf und Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Die zerebralen Kleingefäßerkrankungen gehören zu den wichtigsten Ursachen für Schlaganfälle und Demenzen. Für die hypertensive oder amyloidogene, d. h. auf Bluthochdruck oder krankhaften Eiweißablagerungen beruhende, Variante sind das Risiko, der Verlauf, die Prävention und Therapie verschieden. In diesem Projekt soll eine präzise, bisher so nicht vorhandene, Klassifikation dieser Varianten anhand neuer Bildgebungsmarker, z. B. zur Gefäßwandintegrität, Entzündung und neuronaler Netzwerke, für die klinische Praxis etabliert werden. In einem korrespondierenden Mausmodell wird die Projektgruppe um Prof. Dr. Schreiber parallel neue Blut-Biomarker für zerebrale Kleingefäßerkrankungen untersuchen, in das Klassifikationsschema integrieren und in die Anwendung am Patienten bringen.
Prof. Dr. Schreiber hat nach dem Medizinstudium in Magdeburg ihre klinische und wissenschaftliche Ausbildung als Neurologin und Neurowissenschaftlerin in Hannover, Southampton (UK) und Berkeley (USA) absolviert. Aktuell ist sie Oberärztin in den Kliniken für Neurologie der Universitätskliniken in Düsseldorf und Magdeburg sowie Leiterin einer Arbeitsgruppe am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). „Diese spezielle Förderung ermöglicht mir als fünffacher Mutter, meine Forschung zu zerebralen Kleingefäßerkrankungen weiter voranzutreiben, mit dem Ziel der Entwicklung neuer Präventions- und Therapiemöglichkeiten“, betont Prof. Dr. Schreiber.
Entwicklung und Evaluation neuer pathophysiologisch relevanter Scores für die Prädiktion der akuten Graft-versus-Host-Erkrankung und des Überlebens nach allogener Stammzelltransplantation: Prof. Dr. Daniela Weber, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin 3, Universitätsklinikum Regensburg
Die akute Graft-versus-Host-Erkrankung (aGvHD) des Darms stellt eine ernste und mitunter lebensbedrohliche Komplikation der allogenen Stammzelltransplantation (ASZT) dar. Ein Verlust der bakteriellen Vielfalt im Darm spielt eine wichtige Rolle bei der Ausprägung der aGvHD und beeinflusst das Überleben nach ASZT. Es ist daher von zentraler Bedeutung, Veränderungen der bakteriellen Zusammensetzung frühzeitig zu erkennen und so Risikopatienten für eine GvHD-bedingte Mortalität zu identifizieren. Bereits in eigenen Vorarbeiten konnten bakterielle Stoffwechselprodukte detektiert werden, welche signifikant mit dem Überleben korrelieren. Deren prädiktive Bedeutung soll nun multizentrisch validiert, die zugrundeliegende Pathophysiologie näher untersucht sowie mögliche neue Biomarker im Blut identifiziert werden.
Prof. Dr. Weber ist Oberärztin in der Abteilung für Innere Medizin III an der Universitätsklinik Regensburg mit Schwerpunkt allogene Stammzelltransplantation. Ihr Medizinstudium und ihre Facharztausbildung in Hämatologie und internistischer Onkologie absolvierte sie ebenfalls in Regensburg. Seit 2012 forscht sie im Bereich der allogenen Stammzelltransplantation und schloss 2019 erfolgreich ihre Habilitation ab. „Das Konzept der Wiedereinstiegsförderung nach der Elternzeit stellt eine großartige Gelegenheit dar, neben klinischen und familiären Verpflichtungen der Arbeit an wissenschaftlichen Projekten den nötigen zeitlichen Raum zu schaffen, damit der Spagat aus Beruf und Familie gelingen kann“, erklärt die zweifache Mutter Prof. Dr. Weber.
Auch im Jahr 2024 wird die EKFS die Else Kröner Wiedereinstiegsförderung für forschende Ärztinnen und Ärzte erneut ausschreiben.